in eigener Sache - wie eventuell auch der
anderer Betroffener........
vorab ein neuer Aphorismus:
im Alter gibt es (unter Abstufungen) im Grunde genommen nur zwei Alternativen für die weitere Form des eigenen Lebens:
a) unordentlich selbstbestimmt
b) ordentlich weggesperrt
Beides spricht im Grunde für sich, erfordert daher kaum weitere Erklärungen. Die zweite Form beruht vor allem auf der Sorge anderer, in erster Linie naher Bezugspersonen, welche die Veränderungen, die mit einer immer älter werdenden wichtigen Persönlichkeit des eigenen Lebens (etwa einer Mutter, eines Vaters usw.) zusammenhängen, nicht ertragen können, sie daher unter Obhut stellen wollen. Dieser Wunsch entspringt meist in allerbester Absicht bzw. Überzeugung, ihr damit das Beste anzutun sowohl als auch sich selbst von der Sorge um die Alten zu entlasten - hat doch jeder, auch jüngere Mensch heutzutage sein eigenes gerütteltes Maß an Pflichten und Aufgaben zu erfüllen. Womit jedoch die Angst vor dem Verlust dieses so extrem wichtigen Menschen das eigentlich motivierende Element darstellt. - Leider ist Angst halt niemals ein guter, geschweige denn der beste Ratgeber.
Enorm wichtig und maßgeblich für eine gute Entscheidung ist natürlich vor allem die geistige und körperliche Verfassung des "Probanden" bzw. der "Probandin". Diese sollte auf Untersuchung und Beurteilung von Fachleuten, von Ärzten, Therapeuten und dergl. gegründet sein. Außer diesen bekannten Vertretern bestimmter bekannter Berufsgruppen gründen sich derzeit erfreulicherweise überall auch neue Vereine und Gesellschaften, welche in erster Linie die Interessen der Betroffenen vertreten und letztere beraten - und dies oftmals sogar recht unbürokratisch.
In der Rückschau auf mein eigenes Leben stehen in diesem Zusammenhang meine jahrelangen persönlichen Erfahrungen mit den beiden für mich wichtigsten Persönlichkeiten meines Lebens und deren Schicksale während vieler Jahrzehnte aktuell nochmals vor meinem inneren Auge. Ich spreche von meiner Mutter und deren Mutter, meiner Großmutter.
Vor nunmehr etwa 4 1/2 Jahrzehnten waren beide Frauen fast gleichzeitige an Dickdarmkrebs erkrankt, der bei beiden als unheilbar diagnostiziert wurde. Meine Mutter stand damals kurz vor der Erreichung ihres 60. Geburtstags, die Oma war um die 80 Jahre alt. Da die beiden Frauen allein in ihrer Wohnung lebten, kümmerte ich selbst mich (neben einer stundenweise engagierten professionellen Pflegerin) nach dieser Diagnose um sie, so gut mir das eben möglich war. Ich lag meinem Mann weinend in den Ohren, dass ich meine Mutter und auch die Oma doch nicht in ein Heim geben könne. Doch da ich mit meiner Familie in einer Mietswohnung lebte, hatten wir keinen Platz für eines, erst recht nicht für 2 Pflegebetten.
So saß ich und lagen Mutter und Oma dann eines Tages in einem Lastwagen, der uns alle in ein Pflegeheim bringen sollte........
Zudem hatte ich mit meinen vier Kindern (das jüngste war zu dieser Zeit gerade 'mal 1 1/2 Jahre alt) und einem um 31 Jahre älteren Ehemann doch selbst eine große Familie, welche (neben der sog. "normalen" Betreuung durch eine Mutter in ihrem "Job als Haushaltskraft") auch ernährt werden wollte. Wozu neben der Rente meines Mannes meine insgesamt 17 Jahre währende Teilzeit-Arbeit als Pflegerin im Altenheim beitrug.
Ich möchte - gewissermaßen im "Zeitraffer" - diese Jahre nicht näher beschreiben, sondern nach folgender Info* (siehe Einschub) gleich in einer Art "Quantensprung" zum Jahr 1989 gehen. Im Monat Januar desselben nämlich starb mein Mann.
* Einschub
bestehend darin, dass meine "beiden Mütter" kurz vor bzw. zu Weihnachten 1977 im Abstand von 14 Tagen (somit beinahe gleichzeitig) an ihrer Krankheit starben. Worauf die ebenfalls mir allein obliegende Organisation der Bestattungen folgte, sowie die Auflösung des Haushalts der beiden Frauen, was viele Monate in Anspruch nahm - wohlgemerkt zu meinem normalen Arbeitspensum zu Hause und im Beruf. Mein Mann war mir in dieser Zeit die einzige große Stütze. Wobei er aufgrund seines eigenen hohen Alters jenseits der 70 Jahre mit entsprechend schweren gesundheitlichen Schäden nach jahrelanger russischer Kriegsgefangenschaft ebenfalls nicht als "gesunder Alter" bezeichnet werden konnte.
Aus meiner persönlichen Erfahrung mit Mutter und Großmutter vor nunmehr annähernd 42 Jahren kann ich trotz der permanenten Be- bzw. Überlastung nur folgendes sagen:
Die Sorge für "meine beiden Mütter" verhalf mir zu einer ungeheuren "Genugtuung" (dieses Wort trifft nur ganz am Rande, an der Peripherie zu). Die Tatsache, welch großer Trost, welche Kraft mir daraus erwuchs, war mir jedenfalls eine riesige eher innere, aber auch konkret-äußere Hilfe für die Bewältigung meines heute kaum mehr vorstellbaren damaligen eigenen täglichen Pensums.
Während die Oma sich am 10 Dezember 1977 "still verabschiedete", was mir telefonisch seitens der Heimleitung mitgeteilt wurde, starb meine Mutter letztendlich in meinen Armen. "Letztendlich", das meint folgende mich unvorstellbar stark beeindruckende, auch erschreckende, vor allem aber erschütternde Tatsache:
Die Heimleitung rief bei mir am Vormittag des 1. Weihnachtstages 1977 an mit der Mitteilung, meine Mutter sei verstorben. Ich machte mich bereit, zum unweit unserer Wohnung liegenden Heim zu gehen, um alles Nähere zu erfahren und zu besprechen. Fertig "gestiefelt und gespornt" wollte ich aus dem Haus gehen. Da kam ein zweiter Anruf vom Pflegeheim, in dem mir seitens einer Pflegeschwester in allen Einzelheiten völlig aufgeregt und aufgelöst berichtet wurde, wie meine für tot gehaltene Mutter beim Herausfahren der Bahre aus dem Zimmer sich schreiend und gestikulierend aufgebäumt habe - somit doch noch nicht tot gewesen sei, wie von den Schwestern angenommen. Hierzu möchte ich anfügen, dass meine Mutter zu Lebzeiten immer wieder einmal ihre Sorge geäußert hatte, man würde sie eventuell "lebendig begraben" (was ich jedoch als bekanntes Phänomen kreatürlicher Angst vieler Menschen vor dem Tod eingestuft, daher nicht ganz ernst genommen hatte).
Im Zimmer war meine Mutter dann zwar wach, jedoch geistig abwesend. Mir blieben zwei volle Stunden Zeit, um mich von ihr zu verabschieden. Abwechselnd betete ich immer wieder, sagte ihr, sie bei ihrem Vornamen "MAGDA" nennend (wie auch wir Kinder, mein Bruder und ich, sie in den letzten Jahren genannt hatten), dass ich sie lieb habe und schaute dann wieder zum Fenster hinaus. Schließlich merkte ich, dass sie dieses Leben ausgehaucht hatte.
Es ist mir eine tiefe Befriedigung und Beruhigung, dass sie (die psychisch kranke Frau, die sie war, so dass im Grunde eigentlich ich "die Mutter meiner Mutter" war) in meinen Armen sterben konnte. Dass ich damit diesem armen Menschen alles an Liebe und Fürsorge zurückgeben konnte, was dieser selbst für mich aufgebracht hatte - und das trotz ihres Starts in's Leben als "Kriegskind" und ihrer damit verbundenen schwachen Lebenskräfte.
* Einschub Ende
Nach dieser erneuten Todeserfahrung (gut 10 Jahre nach dem Ableben meiner Mutter und Großmutter), diesem Verlust des außer meinen Kindern liebsten Menschen, der mir geblieben war, war dann bei mir selbst (damals gerade 50 Jahre geworden) endgültig "die Luft 'raus", ich war körperlich und seelisch nicht mehr in der Lage, "normal zu funktionieren" (was immer man darunter verstehen mag).
Nur mit ärztlicher und psychotherapeutischer Hilfe während der folgenden beiden Jahre kam ich sehr langsam gesundheitlich allmählich wieder "auf die Beine".
Wobei die jahrelange totale Überforderung erst nach monatelangem Kampf schlußendlich dann doch zu meiner eigenen Frühverrentung mit 50 Jahren geführt hatte.
Derzeit erfahre ich persönlich - sozusagen am eigenen Leibe - die Wahrheit jenes Bibelzitats aus Johannes 21, Vers 18 ff. Und zwar in der passiven, der Erleidensform, da ich nach meinen eigenen Wünschen gar nicht gefragt werde.
"Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst."
Bleibt mir noch der Hinweis auf Alternativen in Form entsprechender Beratungsstellen, die heutzutage gegründet werden - vor allem aus dem großen Bedarf heraus, der sich ergibt aus einer immer schneller immer umfassender wachsenden Gesellschaft immer älter werdender Menschen.
Ich werde zu gegebener Zeit davon berichten. Vor allem, um anderen Betroffenen Mut zu machen, sich nicht von anderen, seien es Familienmitglieder, Freunde oder wer immer die Art und Weise, wie "man" im Alter zu leben habe, vorschreiben zu lassen. Sondern sich über die herkömmlichen wie alternativen Medien nach entsprechenden Möglichkeiten zu erkundigen, um so weiterhin ein Leben führen zu können, das so weit und so lange als irgend möglich selbst bestimmt ist. Es gibt den "Tag der offenen Tür", der zu einer Kenntnis infrage kommender Einrichtungen einlädt und weitere Angebote, die uns Alte nicht sozusagen "im Regen stehen lassen", nur wegen der Anzahl unserer Jahre mit daraus resultierenden speziellen Methoden der täglichen Lebensführung.
Wobei es nicht allein diese Zahl, diese nichts Wesentliches ausdrückende Ziffer ist, welche wir der Welt und "den Jungen" voraus und zu vermitteln haben.........
Würzburg, am 1. Juni 2019