DAS  GOLD  DES   KÖNIGS  MIDAS

 

 

Dieser Tage begegnete mir wieder einmal die Sage vom phrygischen König MIDAS. Dieser hatte einen Begleiter des Dionysos betrunken gemacht und daraufhin gefangen genommen. Er brachte ihn seinem Herrn, von dem er sich als Belohnung erbat, dass alles, was er anfaßte, zu Gold werden möge. Dionysos sagte ihm die Erfüllung seines Verlangens zu.

 

Midas, der auch heutzutage noch als unüberlegt und dumm gilt, wurde wegen dieser unbedachten Forderung bald eines Besseren belehrt. Drohte ihm doch der Hungertod, da sich auch seine Speisen und Getränke in Gold verwandelten. Die Erlösung führte wiederum Dionysos herbei, indem er Midas riet, im Fluß Pektalos zu baden. Midas wurde daraufhin geheilt.

 

Der König hatte sich auch anderweitig einen unrühmlichen Namen gemacht, und zwar durch ein törichtes Urteil. Apollo und Pan befanden sich im musikalischen Wettstreit, und Midas gab Pan den Zuschlag, weshalb Apollo (der eigentliche Gott der Künste) ihm zürnte und ihm Eselsohren wachsen ließ. Die Midas unter einer hohen (sogenannten "phrygischen") Mütze versteckte. Sein Friseur, dem dieses Geheimnis natürlich nicht verborgen blieb, flüsterte es in eine Erdgrube, die er danach zuschüttete. Später wuchs Schilf an dieser Stelle, in

welchem der Wind die Information, Midas habe Eselsohren, weiter verbreitete.

 

Noch heute wird  ein ungerechter, ein törichter Urteilsspruch als "MIDAS-Urteil" bezeichnet. 

 

Beim erneuten Lesen dieser antiken Sage kommen mir die ernsten Worte und Weissagungen der Ureinwohner Amerikas in den Sinn, wie etwa die Rede des Häuptlings Seattle gegenüber dem Präsidenten der USA im Jahre 1855 und andere. In ihnen klingt immer wieder der Tenor an, dass Land nicht verkauft werden kann (und, ebenso wie das Meer und insgesamt alle Ressourcen der Natur) auch nicht ausgebeutet werden dürfe, da die Erde ja unsere Mutter sei, die uns ernähre.

 

Eine Weisheit der Cree-Indianer stellt insbesondere den Bezug zu obiger Midas-Sage her, lautet sie doch folgendermaßen:

 

 

   "Erst wenn der letzte Baum gerodet,

 

    der letzte Fluß vergiftet,

 

    der letzte Fisch gefangen ist,

 

    werdet ihr feststellen,

 

    dass man Geld nicht essen kann."

 

 

 

 

Bis heute haben alle diese Hinweise kaum wirklich und wesentlich etwas in dieser Richtung der Bewahrung der uns anvertrautenen Schätze, Rohstoffe und Elemen­te bewirkt.......

 [Eintrag am 3. Februar 2016]

 

 

 

Beim Nachsinnen über den Text von Friedrich Rückert

 

in der Sternschnuppe vom 29. Januar 2016 

 

 

 

siehe hier

 

möchte ich noch einmal

das Reise-Thema aufgreifen.

 

 

Wie schon in der Advents-Betrachtung weiter unten, so möchte ich zunächst auch zu Rückerts Aussage etwas Grundsätzliches feststellen.

 Das Reisen umfaßt drei Etappen: 

 

a) den Aufbruch,  b) den Weg,  c) die Ankunft. - Wobei jedem dieser Teile natürlich zunächst ein innerer Entschluß vorausgehen muß.

 

Beim ersten und letzten Punkt handelt sich jeweils gewissermaßen um eine Art "Momentaufnahme", indem beide einen bestimmten Zeitpunkt betreffen.

 

Im Gegensatz dazu kann die mittlere Sparte, der Weg, sowohl zeitlich als auch entfernungsmäßig unterschiedlich lang sein. D. h. diese Strecke WEG ist individuell verschieden lang (ausgedrückt in Metern bzw. Kilometern), als sie sich  (gemessen in Minuten, Stunden, Jahren usw.) auch zeitlich unterschiedlich lange ausdehnen kann.

 

 

So weit die äußeren objektiven Faktoren.

 

Wenn wir etwas umfassender nach der ART des REISENS fragen, so lassen sich auch diesbezüglich mehrere Möglichkeiten erkennen.  

 

Ich gehe einmal davon aus, dass Rückerts Aussage sich zunächst vermutlich auf das konkrete tatsächliche Reisen bezieht. Für dieses sozusagen "echte" Reisen im allgemeinen Sprachgebrauch gilt seine Feststellung somit ganz sicher, wie anzunehmen ist.

 

 

Um wie viel mehr jedoch muß sie und müssen ihre weitreichenden Folgen zutreffen auf die kurzen oder längeren sonstigen "Reisen", die Erfahrungen in unserem Leben, konkret wie in übertragenem Sinne verstanden.  

 

Die Feststellung des Dichters, dass das Ziel nicht alles, ja, vielleicht sogar nicht einmal der wichtigste Grund für's Reisen ist, stellt seiner Meinung nach eine allzu einseitige Ausrichtung dar, nimmt uns daher die Lust am Reisen. 

 

 

Ich möchte Rückerts Maxime daher auf die LEBENSREISE übertragen, die für alle Menschen auf Erden ansteht.

 

Meiner Meinung nach kommt ihr, der Aussage Friedrich Rückerts, in diesem Fall nämlich heutzutage eine weit umfassendere, geradezu globale Bedeutung zu als im frühen 19. Jahrhundert, zu Lebzeiten des Verfassers.

 

Es ist ja heute generell so, dass überall in jeder Hinsicht und auf den meisten Lebensgebieten das (oft recht vordergründige) ZIEL wenn nicht die einzige, so doch die wichtigste, die Hauptrolle spielt. Effizienz, Rentabilität, Wachstum, Vermehrung bestehender Ressourcen und ähnliche Schlagwörter, heute an der Tagesordnung, gehören in diese Richtung. Das bedeutet, dass der Materie und damit der Welt der konkreten äußeren Erscheinungen in einem solch umfassenden Ausmaß geradezu gehuldigt wird, dass man sich nur fragen kann, ob da Begriffe wie etwa Beschaulichkeit, Reflexion, Verarbeitung der REISE-Eindrücke, ob die Seele, das Gemüt, Mitgefühl und andere Regungen bzw. ethische Gesichtspunkte überhaupt noch eine Rolle spielen.

 

Ich denke bei solchen Überlegungen immer wieder an jene Geschichte, jene Worte tibetischer Sherpas auf einer sehr langen und mühsamen Bergtour. Die westlichen Expeditionsleiter, erfolgsorientiert, wie sie waren, wollten die Träger wieder einmal anfeuern, um ein bestimmtes Ziel noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. - Die Sherpas schüttelten jedoch die Köpfe und weigerten sich, der Aufforderung zu folgen. Als Grund gaben sie an, dass "ihre Seelen erst nachkommen müßten". 

 

Diese des Nachdenkens werte Erzählung gibt es in etwas anderem Gewand auch als Begründung und Antwort für ihre Weigerung, noch weiter zu gehen, von Seiten südamerikanischer Indio-Träger ihren europäischen Expeditionsleitern gegenüber. 

 

 Diese Schilderung, sich beziehend auf eine wirkliche Reise, gilt um so nachhaltiger für unsere gesamte Lebensreise.

 

 Sind wir nicht alle als einzelne Individuen sowohl wie auch in unseren verschiedenen Gruppierungen in Gesellschaft, Staat usw. immer wieder allzu sehr oder doch in erster Linie am äußeren Erfolg als eigentliches ZIEL unseres Lebens orientiert? An dem, was bei einer Sache, einer Unternehmung, einem Projekt, bezüglich unserer Arbeitsleistung, ja, sogar hinsichtlich Vergnügungen, beim Sport oder persönlichem Hobby, bei Freizeitbeschäftigungen und dergleichen sichtbar und hörbar wird und letztlich konkret "herausspringt"? Ob in klingender Münze, besonderen Ehrungen oder Preisen - wir leben vorwiegend zielorientiert - und heute mehr denn je. Wir haben für nichts und niemand mehr ausreichend Zeit und Muße, es soll möglichst ständig "etwas los sein", gleichsam, als fürchteten wir es, zur Besinnung, zum Nachdenken zu kommen.

 

 Selbst vor dem Urlaub macht dieses Erfolgsdenken um jeden Preis nicht halt, muß der doch den "Elchtest" bestehen, indem er vielfach zu einer Art "Vorzeige-Zeit" mutiert, in welcher man die Pflicht hat, nicht nur, sich zu erholen, sondern auch "etwas vorweisen zu können": Ein bekanntes spektakuläres und klangvolles Urlaubs-Ziel (erneut begegnet uns dieser Begriff), ein ausgefallener Ort oder Sport, Rekord-Unternehmungen in diesen Wochen (die doch der Erholung dienen sollten) usw.

 

 Bei all dem frage ich mich, wo denn unsere Seelen heutzutage bleiben, wie sie die mit einem solch permanenten "Pushen" verbundene Dauerbelastung verkraften..........wie wir es dabei schaffen sollen, immer wieder in unsere eigene Mitte zu kommen, dorthin, wo wir ausruhen und auftanken, regenerieren können, um wieder zu Kräften zu kommen?

 

 Ich denke, dass hier zum einen Manipulation (seitens derer, welche "das Sagen" haben, etwa, weil wir in irgendeiner Weise, auf einem bestimmten Gebiet, von ihnen abhängig sind und dies auch, bitte schön, bleiben sollen uns zusätzlich von ihnen vielleicht auch emotional abhängig fühlen) am Werke ist. Neben der unseligen Gewohnheit sehr vieler Zeitgenossen, die immer wieder eine große Rolle spielt, sich mit anderen zu vergleichen, ein zu starkes sich-Orientieren am Nachbarn und anderen Mitmenschen, deren Leben, Status, Besitz u. a. m.

Auch die Angst, andernfalls etwas zu versäumen, gehört dazu.

 

Das würde bedeuten, sich zum einen in vielerlei Hinsicht möglichst umfassend zu informieren, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Zum anderen aber seinen klaren Menschenverstand nicht zu verlieren, genau hinzusehen und -zuhören, letzteres vor allem auch bezüglich der "leisen Untertöne".

Was vor allem  in bezug auf den eigenen Körper, seine Signale  und auf Seele und Geist gilt. 

 

 Der Mensch ist mehr als die Summe seiner äußeren Sinne, wie auch seiner Erlebnisse. Somit geht es zunächst darum, aus allem, was wir beobachten, die richtigen Rückschlüsse zu ziehen. Sodann um die Ausrichtung einerseits und die innere Verarbeitung des Erlebten andererseits. 

 

 Meiner aus nahezu acht Lebensjahrzehnten resultierenden Erfahrung nach  kann uns nur eine immer wieder neue und regelmäßige Hinorientierung auf unsere immaterielle Natur, unseren sozusagen "göttlichen Anteil" wirklich von diesem Druck, dieser Zwiespältigkeit befreien und heilen. Ina Seidel nannte es unser "unverwesliches Erbe".   

 Üben wir uns daher wieder ein darin, genauer auf die untrügliche eigene innere Stimme (unser Gewissen) zu hören. Mit der Zeit wird die Erfahrung,  der eigenen Wahrnehmung trauen zu können, damit die Gewißheit, bestens beraten zu sein, erstarken.

 

 

Wenn wir es uns zur Gewohnheit machen, uns auf dieses Ziel hin auszurichten, können wir zudem dem zweiten Erfordernis, jenem einer völligen und rechten Verarbeitung der vielen auf uns einstürmenden Eindrücke eher gerecht werden. Und zwar, ohne allzu stark fixiert zu sein auf die Quantität der zeitlichen Ausdehnung für diesen so ungemein wichtigen Prozeß (die Stunden, die er uns nach der Ansicht mancher Menschen vermeintlich "nimmt").

 

 

        DER WEG IST DAS ZIEL - so heißt es im ZEN-Buddhismus........

 

 

 Nach aller Erfahrung vieler Eingeweihter und Menschheitslehrer der verschiedenen religiösen und philosophischen Richtungen wird uns auf unserer Wanderung hin zum Ziel die Achtsamkeit für den Weg dorthin

recht führen.

 

Was uns mit der Zeit mit ziemlicher Sicherheit zu weit größeren und kühneren, vor allem stimmigeren Entscheidungen und Taten befähigen sollte, als für manch einen derzeit vielleicht noch vorstellbar.

 

 

 

 

"WENN IHR NICHT WERDET WIE DIE KINDER,

 

SO WERDET IHR NICHT INS HIMMELREICH KOMMEN"

 

 

 

so  drückt sich Christus unmißverständlich aus. - In obigem Sinn heißt das für mich, unvoreingenommen und frei heraus aus eigener Anschauung, eigenem Erleben das Richtige und Nötige zu tun.

 

 

In diesem Zusammenhang kommt mir der spontane Ausruf jenes Kindes im bekannten Andersen-Märchen "Des Kaisers neue Kleider" in den Sinn.......

 

wie hier zu lesen!

 

 

[Eintrag am 31. Januar 2016]

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.[Gedanken zur Adventszeit 2015]

 

ADVENT – einmal aus anderem Blickwinkel betrachtet

 

Über Reisende und das Reisen selbst

 

mit Bezug zu dem uns als Bemerkung Helmut Schmids im Bundestag  überlieferten Spruch unbekannter Herkunft: 

 

 

Zunächst zur Begriffserklärung: Das Wort ADVENT (lateinisch: adventus) heißt ANKUNFT und meint die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Mit dieser Erwartung ersehnen wir uns das Weih­nachtsfest, an dem Christus einmal geboren wurde. Zugleich will er aber auch in uns selbst, in unserer Seele, unserem Herzen jedes Jahr immer wieder neu gebo­ren werden. Und zwar als bewuß­ter Akt unseres Willens.

 

Faßt man die Bedeutung des Begriffs Ankunft ein bißchen weiter und bezieht ihn nicht ausschließ­lich auf Weihnachten, so könnte man sagen, es ginge mit ihm auch um un­se­re Ankunft bei uns selbst. Dabei kommen der Ort und die gegen­wärtigen Lebensverhältnisse in’s Spiel, die für uns aktuell gelten. Alle diese äußeren Bedin­gungen bilden die konkrete Grundlage, den äußeren Rahmen für die eigentliche An­kunft, diejenige in unserer Seele, unserem Herzen.

 

Eine Ankunft setzt zunächst voraus einen Aufbruch, dem eine Reise folgt, die uns zu ei­nem be­stimm­ten Ziel, eben dieser Ankunft, bringen soll.

Diese Reise ist als Verbindung beider Endpunkte, dem Aufbruch und der Ankunft, nicht min­der wich­tig, bringt sie doch beides, Start und Ziel zusammen.

 

Wir wollen uns heute einmal mit dieser Verbindungslinie, der REISE befassen. Die Erlebnis­se und Er­fahrun­gen unterwegs und das, was sie bei uns auslösen und bewir­ken können, sind viel­schichtiger und umfassender, als man zunächst annehmen könnte.

 

Zunächst geht es um den Grund des Aufbruchs. Vielleicht packt einen Reiselustigen ein­fach das Fernweh und der Erlebnishunger, die Lust darauf, neue Länder, Lebensformen, Men­schen kennenzu­ler­nen. Bei anderen Reiselustigen handelt es sich eher um einen ab­rupten Ausbruch aus alten Bedingungen und Lebensformen, die nicht mehr zu passen scheinen. Wieder andere Zeitgenossen planen eine Veränderung systematisch, metho­disch und akribisch Schritt für Schritt, ehe sie an die konkrete Umsetzung gehen.

 

Die dritte Art Menschen wieder sehnt sich - mehr als nach konkret-äußerer Veränderung - nach tief be­we­genden inneren Erfahrungen, sozusagen nach einer Art von „Erweckung“ (der müden Lebens­geister), um den Sinn ihres Daseins besser und deutlicher zu spüren und oder sich besser in der eigenen Haut zu fühlen, einen möglichst großen Schritt vorwärts zu tun, hin zu mehr Spannkraft und Motivierung, damit zu stärkerem Wohlbefinden.

 

Allen diesen Wünschen nach Veränderung und dere unmittelbarer oder auch länger dauern­der Ein­lei­tung und Durchführung ist eines gemeinsam: Der deutlich spürbare Wunsch nach Abstand vom Gewohnten, ja, vielleicht handelt es sich, noch präziser formuliert, eher um eine Art innerer GEWISSHEIT, dass dieser unbedingt anstehe.

 

Woher kommt diese Erkenntnis, dass es gilt, etwas zu verändern? Aufzubrechen in neue, bisher un­bekannte Länder und Lebensräume?

 

Ich denke, da treffen sich zweierlei Trends oder Ströme. Einmal ist es natürlich der be­wuß­te Wunsch und Wille des Betreffenden, der jene Unruhe erzeugt, die einem konkre­ten Aufbruch vor­ausgeht. Zum anderen aber haben wir alle mehr oder minder ein Ge­spür, einen oft untrüg­lichen Sensus dafür, wenn bzw. wann in unserem Leben die Zei­chen der Zeit auf Veränderung stehen. Die­ses Feeling ist wie gesagt gepaart mit einer Unruhe, die man­chem zunächst vielleicht unerklärlich sein mag. Ist doch offenbar alles im eigenen Leben im Lot, man hat materiell sein gutes Auskommen, ist vom einem adäquaten Menschenkreis um­ge­ben, hat keine größeren existentiellen Sorgen…….

Ich spreche hier von „Otto Normalverbraucher und –bürger“ und  bin mir dabei des­sen wohl be­wußt, dass es diesen Prototypen de facto so nicht gibt, dass Menschen unverschuldet in schlimme Notlagen geraten können und andere schwere Erlebnisse.

 

Zurück zur Frage: Woher scheint eine bestimmte Ahnung in uns ziemlich untrüglich zu wis­sen, wann die Zeit für einen Aufbruch gekommen ist?

 

Es scheint, als wüßten „die Götter“, der Kosmos, bestimmte „Schicksalsnornen“ oder ir­gend­eine In­stanz, wann ei­ne Epoche unseres Lebens ausläuft mit der Botschaft an uns, bewußt und willentlich-energisch ei­ne neue Ära einzuleiten. Das kann sich zunächst in ganz kleinen Dingen äußern. Man spürt eine Unruhe und Unzufriedenheit. Irgendwo scheint es nicht mehr zu klappen, scheinen nicht mehr alle Zahn­räder und –rädchen so reibungslos und zuverlässig ineinanderzugreifen wie bisher. Was für gesundheitliche oder berufliche Belange ebenso gelten kann wie für eine Partnerschaft oder Freundschaft oder familiäre Verbin­dun­gen bzw. Orts- und Wohnungsangelegenheiten.

Der Auslöser der damit verbundenen Unbehaglichkeit liegt darin, dass wir uns ständig wei­ter­ent­wickeln (sollten). Das bedeutet zugleich, dass uns unsere bisherigen Lebens­verhältnisse nicht mehr „auf den Leib geschneidert“ sind. Es ist, als paßten einem tat­säch­lich die eigenen soliden Wan­der­schu­he nicht mehr, sie sind ausgetreten und geben keinen Halt mehr. Oder als sei ein Ge­wand zu eng oder schadhaft geworden.

 

Auch die Menschen in unserem Umfeld entwickeln sich weiter, vielleicht jedoch in eine ganz andere Richtung als wir selbst. Oder sie treten derzeit auf der Stelle, sind noch nicht bzw. nicht in glei­chem Ausmaß dazu bereit oder fähig wie wir selbst; die Zeit für einen Wechsel ist möglicherweise bei ihnen noch nicht reif.

 

Die Unterschiede, Verzögerungen und Unbilden beim Betreten neuer Lebens(t)räume lösen freilich auch Ängste und Zweifel in uns aus. Werden die neuen Bedingungen auch tra­gen? Wird die an­dere Lebensform, der Wechsel der beruflichen Sphäre, ein anderer Part­ner, das neue Domizil sich als trag­fähig, sozusagen als „Joker“ erweisen?

 

Wenn wir die Aufforderung des Schicksals zwar diffus in uns spüren, Angst, Unsicher­heit und Zau­dern jedoch zu groß sind und überwiegen, es uns damit nicht gelingt, genügend Vertrauen in das Schicksal aufzubringen, um etwas tatkräftig und positiv zu verän­dern, dann fällt uns oftmals die Opferrolle zu. Was besagen soll, dass wir krank werden, unse­ren Beruf daher nicht mehr ausüben kön­nen, verarmen, die Wohnung verlieren oder sons­­tige Lebensumstände sich ergeben, die unsere bisherige Sicherheit gefährden. Ähn­lich verhält es sich mit menschlichen Verlusten. Sei es, dass der Partner stirbt oder uns verläßt, ein Familienmitglied ernstlich erkrankt oder Freunde sich von uns ab­wenden.

Dass sich Meinungsverschiedenheiten bzw. gar entscheidende Differenzen bis hin zur Feind­schaft ergeben zwischen uns selbst und den Nachbarn, bzw. - noch gravierender – sehr nahen Menschen un­se­res Umkrei­ses, vor allem in der eigenen Familie…….

 

Wir erfahren den Trend zur Umorientierung und Neuwerdung somit in passiver Form.

 

Alle diese Ereignisse und Entwicklungen stellen jedoch ein deutliches Anzeichen dafür dar, dass es Zeit ist für einen Aufbruch. Je früher wir dies erkennen, desto organischer, folgerichti­ger und, wenn nicht glückbringender, so zumindest doch glimpflicher wird sich ein Wech­­sel für uns  gestalten.  

 

Von Franz Liszt ist uns folgendes Zitat überliefert:

 

„Glücklich, wer mit den Verhältnissen zu brechen versteht, ehe sie ihn gebrochen ha­ben“.

 

Auch dieser Ausspruch zielt in oben beschriebene Richtung.

 

Wenn wir die Notwendigkeit ständiger Anpassung und Veränderungsbereitschaft poetischer aber nicht minder gültig ausdrücken wollen, so eignet sich dafür wie kaum ein anderer Text Hermann Hesses unnachahmlich treffendes Gedicht von den „STUFEN“:

 

Machen wir uns, Hesses Rat folgend, daher auf die Reise, die das Ziel hat, uns uns selbst immer näher zu bringen und einheitlicher, stimmiger und authentischer zu werden, sowie den Mut zu uns und unserer unnachahmlichen Wesensart aufzubringen.

 

Wenn wir Hermann Hesse Glauben schenken dürfen, so steht an deren Ende und Ziel die Affirmation und Ver­heißung der GESUNDUNG.

 

 

             

 

            Stufen

 

 

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend

dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,

blüht jede Weisheit auch und jede Tugend

zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe

bereit zum Abschied sein und Neubeginne,

um sich in Tapferkeit und ohne Trauen

in andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,

der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

 

Wir sollen heiter Raum um Raum durchstreifen,

an keinem wie an einer Heimat hängen,

der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,

er will uns Stuf um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise

und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,

nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,

mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

 

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde

uns neuen Räumen jung entgegensenden,

des Lebens Ruf an uns wird niemals enden.......

wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

 

 

                                                                        - Hermann Hesse -

 

 [Eintrag am 14. Dezember 2015]

 

 

 

 

 

 

 

EVOLUTION  innerhalb von RHYTHMEN

 

 

 

Täglich (bzw. stündlich oder gar in jedem einzigen Augenblick) gestaltet sich innerhalb bestimmter Rhythmen eine völlig neue Welt. 

 

Etwa  „alle Jahre wieder“. Und zwar sowohl innerhalb des Kosmos (siehe unser sich aus der Erd­umdrehung um die Sonne ergebendes irdisches Jahr), als auch in unserem persönlichen Leben. Nämlich dann, wenn wir wieder einmal unseren Geburtstag feiern. 

 

Jedes dieser Wiegenfeste bringt – ebenso wie der Jahreslauf – die Chance eines totalen Neubeginns mit sich. Es ist gleichsam, als vollziehe sich die allererste, die physische Geburt in gewisser Hinsicht ein zweitesmal.

Und das nicht nur in geistig-seelischer und spiritueller Hinsicht, sondern sogar physisch.

Denn so, wie eine Schlange immer wieder ihre alte Haut abstreift, so erneuert sich auch unsere Haut, erneuern sich unsere Zellen immer wieder.  Womit wir in jedem Jahr (bzw. wie gesagt: Sogar in jedem Moment) die Möglichkeit erhalten, uns immer stärker hin zu uns selbst, zu einer höheren, besseren, optimaler ausgestatteten Persönlichkeit zu entfalten - letztlich: Uns dem in uns angelegten Idealbild unserer selbst entgegenzuentwickeln.

 

 [Eintrag am 12. November 2014]

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MENSCHEN,

 

die AUS ZWEITER HAND LEBEN

 

 

 

Das sind solche, welche aus dem Schicksal anderer (für die sie wichtig sind bzw. sogar sehr nötig bis lebensnot­wen­dig zu sein schei­nen), ihre Bedeutung definie­ren.  Damit gewissermaßen „den PEP“ für ihr eigenes mühsames und monotones Dasein (in dem zu wenig „passiert“) aus den „Sen­sa­tionen und Sen­satiön­chen“ im Leben anderer bezie­hend. 

So lange sich etwas Geheimnisvolles um diese Biographien ihrer Freunde oder Verwandten rankt, „geilen sie sich dar­an auf“. Damit auch ihrem eigenen, so mühseligen und beladenen, ansonsten relativ reiz- und ereignisarmen Le­ben Bedeutung verleihend.

Zudem gibt es auch die Verheißung Christi, welche jenen, die sich derart einsatzbereit und hinge­bungs­voll um an­dere sorgen, Selig­keit verspricht. Der Lohn wird den Helfer-Typen damit für eine ferne Zukunft zugesagt oder auch in ihr eigenes Ermessen, ihre Glau­bensfähigkeit verlegt. Womit dieser Lohn für sie in greifbarere Nähe rückt.

Sobald sich jedoch eine plausible, sozusagen „stinknormale“ Ursache für die „Machenschaften“ ihrer „Schützlinge“ fin­det (etwa in Form einer nüchternen Krankheitsdiagnose, eines logisch-folgerichtigen Ablaufs von Geschehnissen oder wie immer),  sind sie ent­täuscht, weil sie erkennen, dass auch der andere „nur ein Mensch“ ist. Einer der, wie sie selbst auch, ebenfalls „nur mit Wasser kocht“. Mit dessen Besonderheit sie sich jedoch selbst Bedeutung gaben. Welcher ihnen nun jedoch durch seine enttäuschende auch-nur-Menschlichkeit nicht weiterhin den „Stoff für ihre Träume“  (bei denen es sich oft genug auch um Alpträume handelt!) liefert.

Dieser Zeitgenosse ist damit uninteressant geworden. Hat man selbst doch künftig nichts mehr von ihm.

Natürlich machen diese „Gutmenschen“ (welche oft erstaunlich lange, treu und liebevoll sich um die „verirrten schwar­zen Schafe“ ihres sozialen Umfelds kümmern), sich diese Mechanismen der Motivationen für  ihr  eigenes Denken und Tun nicht klar.  Sie sind ja auch sozusagen „aus dem Schneider“. Stellt es doch in allen Religionen ein  anerkanntes und unum­strittenes hohes ethisch-morali­sches Gebot dar, sich um den lieben Nächsten zu kümmern, ihn zu lieben „wie sich selbst“.

Mit  dieser Dimension der SELBSTLIEBE aber kommt nun die alles entscheidende Voraussetzung in’s Spiel, welche den Einsatz für andere in meinen Augen erst eigentlich rechtfertigt. Ist es doch eben dieser NACHSATZ, welcher entschei­dend ist für den Gehalt, die wahre und tiefste Bedeutung des Gebotes der Nächstenliebe.

Ohne die Voraussetzung, die eigene Persönlichkeit, so, wie sie nun einmal ist bzw. wurde,  ebenso tief, warmherzig und „astrein“ (d. h. gleichsam ohne Hintergedanken, ohne sich damit selbst in seiner Hinneigung zum bedürftigen Bruder, der leidenden Schwester etwas vorzumachen, sich damit „verbrämen“, aufwerten, zu wollen) lieben zu können, wäre man nämlich „ein tönend Erz“ oder „eine klingende Schelle“, wie die Bibel weiß. Vor diesem Hinter­grund fällt alles schmückende Beiwerk, alle sich um Guttaten für andere rankende Verbrämung  und Vergoldung in sich  zusammen.

Wobei grundsätzlich der Wert der Tat für den lieben Nächsten als solcher freilich erhalten bleibt. 

Doch geht es hier um die persönliche MOTIVATION für die sogenannte „Christliche Nächstenliebe“ (hinsichtlich de­rer so manch einer sich Illusionen hingibt, sich damit selbst beschummelnd). 

Diakonissen (das sind anderen dienende Frauen, Schwestern genannt) haben einen Wahlspruch, der da lautet: „Mein Lohn ist der, dass ich „DIENEN  DARF“. Damit wird der selbstlose Einsatz für andere ethisch-moralisch zu extremer Höhe und Geltung hochstili­siert. Jedenfalls, sofern die Voraussetzung, sich selbst ebenso lieben und wert­schätzen zu können, fehlt.

Wenn man durch den Einsatz für andere in erster Linie sich selbst aufwerten will, kann dies nach meinem Dafürhal­ten kein optimaler Gradmesser sein für den WERT der eigenen Tat. Letztere dient dann ähnlich der Selbstberuhi­gung wie die Hal­tung christlich gesinnter älte­rer Damen vergangener Jahrhunderte, welche in ihren europäischen Zirkeln am geheizten Ofen beim Tee „warme Socken für die ar­men, notleidenden Negerkin­der in Afrika“ strickend, am tatsächlichen Erfordernis ihres Tuns haarscharf vorbeischrammten.   

 

BUDDHA drückt das, worum es hier geht,  unmißverständlich so aus:

 

„Wenn dein Mitgefühl dich selbst nicht mit einschließt, ist es unvollständig.“

Doch würde vermutlich keine einzige Guttat für andere de facto auch wirklich erfolgen, würden sich alle aktiven Gut­men­schen Klar­heit verschaffen über die meisten ihrer tatsächlichen Motivationen, welche ihre Taten u. a. beflügeln!

Stellt doch das Gebot der LIEBE zu sich selbst (inclusive der empathischen, liebevollen Aufmerksamkeit, Fürsorg­lich­keit und  Unterstützung für sich und das eigene Ergehen) für viele - insbesondere für jene mit dem Helfersyndrom ausge­stat­te­ten – Mitmen­schen  ein unerfüllbares, ja: Obendrein sogar  keinesfalls für erstrebenswert und not-wendig  –  d. h.: Die Not wendend - erachtetes Ideal dar. Schon gar nicht die Erkenntnis, dass es erst die Voraussetzung da­für darstellt, auch andere in der rechten Weise lieben und wertschätzen zu können.

Womit (da nicht sein kann, was nicht sein darf) dieser Aufruf zur Selbstliebe - da gänzlich fehlinterpretiert -  vielfach im­mer wieder unter den Teppich gekehrt wurde und noch immer wird.

Konkret ginge es beim Praktizieren tatkräftiger Liebe darum, sich und die eigenen Bedürfnisse als nicht getrennt von de­nen jedes einzigen anderen menschli­chen Indi­viu­ums sowohl als auch von jedem anderen lebenden Wesen wie von Pflanzen und Tieren, unserer Mutter Erde und unseres Vaters  Himmel - ja, auch der von uns so bezeichneten „leb­lo­sen“ Dinge (da­mit der gesamten Schöpfung, die den unermeßlichen Reichtum und die Vielfalt einer grandiosen Schöpfer-Intelli­genz widerspiegelt) zu betrachten.

Sind wir doch ausnahmslos alle Gottes Geschöpfe, somit alle auch große und kleine Geschwister, welche einer großen Familie angehören. Und maßen uns trotzdem an, es besser zu wissen als unser Schöpfer.

 

 

   © Uta Kuhnke